Hallo Brutus,
ich denke, dass deine Theorie nicht stimmig ist, zumal ich mich erinnere, dass die Taliban in Afghanistan ja auch schon etliche Polizeistationen (also keine zivilen Einrichtungen) in die Luft gejagt haben. Dass überwiegend Zivilisten ihr Leben lassen müssen, liegt m. E. eher daran, dass nichtzivile Einrichtungen i.d.R. besser geschützt sind.
Aus der Sicht der Islamisten geht es aber in erster Linie nicht um „zivil“ und „nichtzivil“, sondern um das Töten von „Ungläubigen“.
„Ungläubig“ in deren Sinne ist der gesamte „Westen“. Darunter verstehen sie „Juden“ und „Kreuzritter“. An zweiter Stelle kommen dann die „Glaubensbrüder“. Aus sunnitischer Sicht sind das die Schiiten, aus schiitischer Sicht sind es die Sunniten. Aber selbstverständlich sind auch andere islamische Splittergruppen an diesem gegenseitigen Abschlachten beteiligt. Ungefähr vergleichbar ist die derzeitige Situation im Islam mit dem Christentum zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Deshalb veranschlagen diverse Nahostexperten die Dauer dieser Auseinandersetzung auch auf dreißig Jahre. Aber wie schon damals bei uns in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, geht es auch im Nahen Osten aktuell nur vordergründig um Religion. Tatsächlich geht es um Machtpolitik, und im Hintergrund agieren Staaten.
Ein wesentliches Problem sehe ich darin, dass es im Islam kein gemeinsames geistliches Oberhaupt gibt, das eine für alle verbindliche Auslegung des Korans vorschreibt. Vergleichbar ist das mit der protestantischen Welt, weil die nur das sog. „sola scriptura“, also nur das geschriebene Wort der Bibel kennt. Wenn ich also nur das geschriebene Wort gelten lasse, dann muss ich mich nicht wundern, wenn es seit Luther rund zwanzigtausend verschiedene protestantische Denominationen gab bzw. gibt. Denn abhängig von seinem geistigen Horizont erfasst jeder Mensch die Heilige Schrift anders. In der Kirche ist das bekanntlich nicht so: Dort steht zwar auch die Bibel an erster Stelle, aber diese wird ergänzt durch das päpstliche Lehramt und die Tradition. Und es gibt ein geistliches Oberhaupt, das das letzte Wort hat: der Papst.
Persönlich glaube ich nicht daran, dass sich der Islam in diese Richtung entwickelt. Gestützt auf diverse Prophezeiungen bin ich eher der Auffassung, dass sich das Gros der Muslime bekehren wird. Weniger durch die Missionsarbeit der Christen als durch direktes Eingreifen Gottes.
Gruß,
R. |